Stuttgarter Impronacht

Schauspiel ohne Skript

Bei der Premiere der Impronacht kommen mehr als dreißig SpielerInnen aus unterschiedlichen Gruppen zusammen. Im Interview erzählt die Schauspielerin Bernadette Müller der Gruppe „Die Maßschneiderei“ über die Kunst der Improvisation.

Foto: Maßschneiderei

So viel Impro-Theater gab es in Stuttgart in einer Nacht noch nie. Bei der Premiere der Impronacht kommen mehr als dreißig SpielerInnen aus unterschiedlichen Gruppen Mannheims, Karlsruhes und Stuttgarts zusammen. Darunter ist auch die Stuttgarter Gruppe „Die Maßschneiderei“, zu welcher Bernadette Müller gehört. Im Interview erzählt die Schauspielerin über die Kunst der Improvisation.

 

LIFT Was bedeutet Impro für Sie persönlich?
Müller Für mich bedeutet Improvisation, mein inneres Kind rauszulassen und ihm Raum zur Entfaltung zu geben. Etwas, was im normalen Leben und im durchgeplanten Alltag oft zu kurz kommt.

LIFT Wie ist eine Impro-Szene aufgebaut?
Müller Bei Improvisation gibt es verschiedene Spielformen. Die Kurzformen sind am weitesten verbreitet. Formen wie Krimiwerke gehen aber über einen längeren Zeitraum.

LIFT Welche Regeln gibt es beim Improvisations-Theater?
Müller Es gibt ein paar Dinge zu beachten – etwa die Anzahl der SpielerInnen, wie man sich vom Publikum Ideen einholt und  wie lang die Szene gehen soll.

LIFT Wie funktioniert das?
Müller Ein Beispiel ist das Spiel „Emo-Replay“. Dieses wird meistens von etwa drei Spieler­Innen durchgeführt. Das Publikum gibt uns eine Familiensituation vor, beispielsweise den Tod der Großmutter. Im ersten Teil spielen wir diese Situation nach. Im zweiten Teil behalten wir die Charaktere bei, holen uns aber vom Publikum eine besondere Emotion ein, die im ersten Teil nicht zu den Charakteren gehört. Im dritten Teil darf das Publikum dann ein Genre wie Krimi, Western oder Horror definieren.

LIFT Wie gelingt eine Impro-Szene?
Müller Manchmal gehe ich mit einer fixen Idee auf die Bühne, aber ich finde es besser, den Kopf leer zu haben und mich auf das einzulassen, was auf mich zukommt. Eine Szene läuft für mich, wenn ich gerade genau fühle, wer ich bin und eine klare Vorstellung der Person oder des Wesens habe, das ich verkörpere.

LIFT Wie schaffen Sie es, im Moment präsent zu sein und spontan zu bleiben?
Müller Ich versuche, mir vor einer improvisierten Szene Zeit für mich zu nehmen und frei zu assoziieren. Ich frage mich, in welches Land ich reisen möchte oder denke an Ge­rüche und Geräusche aus meinem letzten Sommerurlaub. Ich beschäftige mich viel mit meinen Sinnen, um den Kopf freizumachen.

LIFT Was, wenn eine Improvisationsszene nicht wie geplant verläuft?
Müller In den seltensten Fällen brechen wir die Szene ab. Oft kann eine Idee von außen kommen, um die Szene zu retten. Die anderen SpielerInnen, die gerade nicht aktiv sind, bringen dann Geräusche oder Szenenübergänge ein, um neuen Schwung zu geben.

LIFT Wie wichtig ist es, Fehler in einer Aufführung zu akzeptieren?
Müller Improvisation lebt von der Spontanität und den Überraschungen, die auftreten können. Fehler sind ein natürlicher Teil des Prozesses und können oft sogar zu den lus­­tigsten und überraschendsten Momenten führen.

LIFT Wie gehen Sie mit Lampenfieber oder Ängsten um?
Müller Lampenfieber kann mir helfen, mich in einen Tunnelblick zu versetzen. Manchmal habe ich Auftritte, bei denen ich kein Adrenalin spüre. Ich finde das oft gar nicht so gut. Lampenfieber gehört dazu.

LIFT Macht Impro im Alltag schlagfertiger?
Müller Es gibt Leute, die Impro nutzen, um selbstsicherer zu werden. Ich denke, dass es als Therapierform sicher auch kurzfristig helfen kann. Ob ich selbst schlagfertiger werde, frage ich mich öfter. Vermutlich schon, ich kann es nur für mich selbst schwer beurteilen.

Stuttgarter Impronacht [23.9. 17:30 Uhr, Kulturwerk, Ostendstr. 106A, S-Ost, www.kulturwerk.de]

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