Demokratie gestalten

Die kreative Szene Stuttgart steht zusammen auf: #gemeinsamdafuer

Seit ein paar Wochen ist das Internet um ein Hashtag reicher: Die Stuttgarter Innenarchitekten Moritz Köhler (li.) und Jörg Schmitt (re.) haben über Nacht eine Demokratie-Initiative ins Leben gerufen. Was sie dazu bewegt hat und was ihr Beruf mit Demokratie zu tun hat, erzählen sie hier.

Foto: Nicolas Rausch

LIFT Was ist #gemeinsamdafuer?

Köhler Uns beschäftigen die Fragen: ,Wie gehen wir miteinander um? Wie wollen wir miteinander leben?‘ Der gesellschaftliche Diskurs dazu hat sich aus unserer Sicht nicht gerade positiv entwickelt. Wir möchten nicht mehr nur in unserer Bubble darüber reden.

Schmitt Und weil es so viel Negativität gibt, war es uns wichtig, positive Gedanken in die Welt zu tragen und uns gemeinsam für Aspekte einzusetzen, die uns wichtig sind: Offenheit, Toleranz, Vielfalt, Respekt.

LIFT ,Es ist Zeit. Es ist höchste Zeit sich zu positionieren. Gegen Menschenverachtung. Gegen Hass. Klar und deutlich. Laut und unmissverständlich.‘ So liest sich einer eurer Insta-Posts. War die Correctiv-Recherche im Januar der Auslöser, aktiv zu werden?

Köhler Ja. Ich war seitdem sehr aufgewühlt und hatte das starke Bedürfnis etwas zu tun. Auf der Suche nach dem passenden Verband oder Verein kam ich auf die Architekturkammer, wo ich Mitglied bin. Also habe ich eine Mail geschickt: Wo stehen wir als Kreativ-schaffende? Was kann ich tun? Wir schaffen doch demokratische Lösungen, warum nicht pro-demokratisch positionieren?

LIFT Was ist dann passiert?

Köhler Ich habe in derselben Nacht noch Rückmeldung bekommen, am nächsten Morgen ging ein Newsletter raus. So kam #gemeinsamdafuer ins Rollen und ist inzwischen deutschlandweit von vielen Kammern und Verbänden geteilt worden.

LIFT Was ist die Idee?

Köhler Wir haben unsere Botschaft auf Instagram gepackt. Die Gemeinsamdafuer-Webseite ist online, es gibt Flyer und Poster zum Download. Wir würden das Bekenntnis zu Demokratie, Respekt und Toleranz gerne im Stadtraum sichtbar machen und unsere Vielfalt und Farbigkeit ins Stadtbild tragen.

LIFT Wer kann mitmachen?

Köhler Wir haben als Innenarchitektur- und Architekturschaffende angefangen, dann kamen Gestaltende aus Kommunikation- und Industriedesign dazu. Nun werden wir vom Handwerk angefragt. Beispielsweise Schreiner, die auch sagen: Wir bauen doch miteinander. Im Handwerk ist es ja genauso: Wir haben eine Idee, wir finden eine Lösung, wir erschaffen etwas.

LIFT Was hat eure Arbeit mit Demokratie zu tun?

Köhler Wir empfinden uns als Innenarchitekten als täglich Demokratie Lebende. In der Gestaltung gibt es immer verschiedene Bedürfnisse, von Kundschaft, Lokalität, Budget, Richtlinien, Gesetzen – aus diesen unterschiedlichen Einstellungen und Bedingungen ist es an uns, in einem vorurteilsfreien Miteinander eine Lösung zu erarbeiten, die am Ende für alle Beteiligten etwas möglichst ,Gutes‘ ergibt. Das Abwägen von Dingen ist nicht immer gleich Streit. Diskutieren ist ein Suchen nach der besten Lösung für alle.

Schmitt Es geht um Vielfalt, Diversität und Teilhabe. Diese Offenheit aus der Bubble der Gestaltenden müssen wir weiter tragen.

LIFT Wann muss man in einer Demokratie aktiv werden?

Schmitt Es zeigt sich ja gerade wie viele Menschen jetzt aktiv werden und sich für Grundwerte positionieren. Es kommt aus der Gesellschaft heraus. Denn es ist unsere Verantwortung, Teil der Demokratie zu sein, auch wählen zu gehen.

Köhler Diese Aktion zeigt, wie toll Demokratie ist. Ich habe mir Artikel 1 des Grundgesetzes noch mal angeschaut. Den Satz ,Die Würde des Menschen ist unantastbar‘ kennt wahrscheinlich jeder, aber es gibt noch einen zweiten Teil: ,Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.‘ Ich würde ihn noch ergänzen: Es ist die Verpflichtung aller Bürger dieses Landes.

Schmitt Für viele ist unsere freiheitlich demokratische Grundordnung eine Selbstverständlichkeit, aber sie ist nicht selbstverständlich. Das muss uns allen bewusst sein.

#gemeinsamdafuer [www.gemeinsamdafuer.de]

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